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Topfkonservierungsmittel – ein notwendiges Uebel?

Topfkonservierungsmittel, seit Jahren ein oft diskutiertes Thema bei Malern, Anstrichstoffherstellern und Verbrauchern. Topfkonservierungsmittel haben die Aufgabe, einen Anstrichstoff vom Zeitpunkt seiner Herstellung bis zum Verbrauch vor dem mikrobiellen Befall zu schützen.

Das ideale Topfkonservierungsmittel soll also gegen ein breites Spektrum von Pilzen, Bakterien und Hefen wirksam sein, jedoch ohne für Menschen, Pflanzen und Tiere in irgendeiner Form toxisch zu wirken. Es soll den Anstrichstoff über einen Zeitraum von Jahren vor mikrobiellem Befall schützen, nach der Applikation des Anstrichstoffes jedoch möglich schnell aus diesem entweichen.

Topfkonservierer gestern und heute
Der Befall eines Anstrichstoffes mit Mikroorganismen äussert sich visuell in oft gelben, grünen oder schwarzen Pilzkolonien auf der Oberfläche. Sofern es sich um Bakterien handelt, bildet sich auf der Oberfläche des Anstrichstoffes ein schmieriger Belag. Beim mikrobiellen Befall einer Dispersionsfarbe oder eines Putzes werden in erster Linie die Cellulosederivate, die als Schutzkolloide bzw. als Verdickungsmittel im Anstrichstoff enthalten sind, abgebaut. Der Abbau dieser Stoffe äussert oft in einem Viskositätsabfall und einem intensiven Geruch. Die qualitativen Eigenschaften des Anstrichstoffes können hierdurch beeinflusst werden. Dass die Konservierungsmittel mit dem Anstrichstoff oder einem Teil davon nicht reagieren dürfen und dabei keine schädlichen oder unerwünschten Nebenwirkungen zeigen, ist selbstverständlich. Topfkonservierungsmittel mit einem derartigen Leistungsprofil sind jedoch Wunschdenken, das leider nicht in Erfüllung gehen kann. Die heute vom Gesetzgeber erlaubten und industriell eingesetzen Topfkonservierungsmittel erlauben einen Schutz des Anstrichstoffes vom Zeitpunkt der Herstellung bis zu seiner Verwendung innerhalb der angebenen Lagerfähigkeit.

Wird das Gebinde geöffnet und Anstrichstoff entnommen, verarbeitet, verdünnt oder abgetönt, erlischt die Garantie für die Topfkonservierungsmittel, ein mikrobieller Befall kann nicht mehr ausgeschlossen werden. Damit der Schutz des Anstrichstoffes im Gebinde voll wirksam ist, reicht ein Wirkstoff meist nicht aus, denn einerseits muss der Anstrichstoff selbst ausgerüstet werden, andererseits sollte aber auch die Dampfphase oberhalb des Anstrichstoffes vor dem Befall durch Mikroorganismen geschützt sein, da im Kondenswasser ideale Voraussetzungen für die Vermehrung der Mikroorganismen bestehen. .

Mit Recht werden nun ältere Maler behaupten, dass es in der Vergangenheit praktisch nie Probleme mit einem mikrobiellen Befall wasserverdünnbarer Anstrichstoffe gegeben hat. Dies ist richtig, hat aber die folgenden Gründe: .

1. Bis zur Inkrafttretung der Stoffverordnung konnten zur Topfkonservierung Stoffe eingesetzt werden eingesetzt werden, die eine hervorragende Wirksamkeit aufweisen, jedoch stark human- und ökotoxisch sind. Ihr Einsatz wurde deshalb mit der Stoffverordnung verboten.
2. Es folgten Organozinnverbindungen und Formaldehyd. Auch diese Stoffe, die gegen Mikroorganismen gut wirksam sind, wurden aufgrund der Umweltschutz-bzw. Giftgesetzgebung verboten oder im Einsatz stark eingeschränkt. 3. Die heute noch erlaubten und auch industriell eingesetzten Topfkonservierungsmittel sind : .
- Formaldehydabspalter, chemische Verbindungen, die innerhalb eines grösseren Zeitraumes geringe Dosen Formaldehyd freisetzen. .
- Bronopol, eine halogenhaltige Verbindung, mit relativ gutem Wirkspektrum, die jedoch in vielen Anstrichstoffen zu Verfärbungen führt. .
- Benzisothiazolinon, eine ebenfalls relativ gut wirkenden Substanz, die jedoch nicht in der Dampfphase wirksam ist. .
- Kathon, eine Mischung aus Chlor-methyl-isothiazolinon und Methyl-isothiazolinon, das sowohl im Produkt selbst als auch in der Dampfphase wirkt. Dies ist das heute verbreitetste Topfkonservierungsmittel. Es wird nicht nur in Farben sondern auch in Kosmetika, Shampoo, Seifen und anderen Publikumsprodukten eingesetzt. .
- es folgt eine Reihe anderer Produkte, die jedoch nicht so stark verbreitet sind, so dass sich hier eine Besprechung erübrigt. .

Synergien mit anderen Rohstoffen
Neben den eigentlichen Konservierungsmitteln haben aber auch andere Stoffe, die in wässrigen Anstrichstoffen vorhanden waren, eine konservierende Wirkung. Da sind einerseits die Lösemittel zu nennen, die als Filmbildehilfsmittel verwendet wurden. Durch den Wunsch nach lösemittelfreien, wässrigen Anstrichstoffen wurden diese Lösemittel ebenfalls eliminiert. In Acryllacken, die auch heute noch bis zu 6 % Lösemittel als Filmbildehilfsmittel enthalten, ist daher ein Befall mit Mikroorganismen äusserst selten. Schliesslich sind noch die Restmonomere zu nennen, die nach der Polymerisation der Dispersionsbinder im Produkt verbleiben und einen wirksamen Schutz gegen Pilze und Bakterien darstellen. Da auch hier der Wunsch nach restmonomerenfreien, geruchsarmen Dispersionsbindern ohne die teilweise toxischen Stoffe immer lauter wurde, werden heute die Dispersionsbindern schon bei deren Herstellung von den Restmonomeren befreit, wodurch wird die Empfindlichkeit der Anstrichstoffe gegen Mikroorganismen weiter erhöht wird. Die Anstrichstoffbranche befindet sich also in einer echten Zwangslage, da einerseits gut wirksame Stoffe verpönt oder verboten sind, andererseits aber von Seiten der Anwender ein berechtigter Wunsch nach einer einwandfreien Konservierung besteht.

Die neue Gesetzgebung
Damit aber nicht genug! Der deutsche Verband der Lackindustrie hat eine "Richtlinie Bautenanstriche" herausgegeben, die auf den Richtlinien der EU basiert. Sie hat die Aufgabe, die Inhaltsstoffe von Bautenfarben zu deklarieren. Darin werden bei den Gebindekonservierern, unter anderen, Isothiazolinon-Derivate und Formaldehyddepotstoffe genannt. Die Einsatzkonzentration an freiem Formaldehyd darf 10 mg/kg nicht überschreiten. Unter diese neue Regelung fällt auch das heute am häufigsten eingesetzte Konservierungsmittel "Kathon", eine Mischung aus Chlor-methyl-isothiazolinon und Methyl-isothiazolinon. Die Einsatzkonzentration soll in Zukunft in der EU nur noch bis 15 ppm ohne zusätzliche Kennzeichnung erlaubt sein. Der Grund für diese Massnahme ist die vermutete allergene Wirkung dieses Stoffes. Ob sich das Bundesamt für Gesundheit BAG an diese Richtlinie anschliesst, steht zur Zeit noch nicht fest.

In einer Sendung des Kassensturz wurde dieses Thema aufgegriffen und in der bekannten Art und Weise unbestätigter Vermutungen dargestellt. Die allergene Gefährdung des Chlor-methyl-isothiazolinons soll in keiner Art verharmlost werden, jedoch bestehen bis heute keine bestätigten Allergiefälle, die sich eindeutig auf die in wässrigen Anstrichstoffe üblichen Konzentrationen von Chlor-methyl-isothiazolinon zurückführen lassen. Die Sendung des Kassensturz stützt sich auf eine interne, nicht veröffentlichte Studie des BAG. Diese Studie befasst sich mit der Innenraumbelastung durch Lösemittel und Isothiazolinone ohne jedoch auf die allergenen Aspekte einzugehen. Das Geschäft mit der Angst
Bestimmt ist es eine berechtigte Forderung, wässrige Anstrichstoffe so auszurüsten, dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu befürchten sind und trotzdem eine genügende Schutzwirkung erzielt wird. Leider versuchen auch im Falle der Konservierungsmittel in- und ausländische Hersteller von Anstrichstoffen mit der ernst zu nehmenden Problematik das schnelle Geld zu machen. So wurde in der "applica" mit einem Produkt Werbung gemacht, das angeblich frei von chlorhaltigen Substanzen - gemeint ist hier das Chlor-methyl-isothiazolinon und Formaldehyd - ist und immer noch eine gute Schutzwirkung gegen einen mikrobiellen Befall bieten soll.

Die Behauptung, dass dieses Produkt chlorfrei ist, trifft zu, da die wirksamste Komponente des Kathons, nämlich das Chlor-methyl-isothiazolinon, das gleichzeitig auch als der Allergieauslöser angesehen wird, in dem erwähnten Produkt nicht enthalten ist. Die Behauptung, das Produkt sei frei von Formaldehyd, stimmt jedoch bei weitem nicht, da bewiesenermassen Formaldehydabspalter eingesetzt wurden. Von zwei verschiedenen Laboratorien wurde das Produkt analysiert, übereinstimmend wurden folgende Konservierungsmittel gefunden:

- 40 ppm 2-Methyl-4-isothaizolin-3-on (MIT)
- 30 ppm 1,2-Benzisothiazolin-3on (BIT)
- 10 ppm Formaldehyd

Ein deutscher Hersteller propagiert eine speziell für Allergiker geeignete Dispersionsfarbe, die keine Substanzen enthalte, die Allergien auslösen können. Die Analyse zeigt, dass dieses Produkt keine Topfkonservierungsmittel enthält. Allerdings, dies wurde in der Werbung nicht erwähnt, handelt es sich auch nicht um eine Dispersionsfarbe im herkömmlichen Sinn. Vielmehr enthält dieses Produkt einen erheblichen Anteil an Alkalisilikat (Wasserglas). In diesem stark alkalischen Medium (pH 11.5) ist das Wachstum von Pilzen und Bakterien unmöglich.

Dieser Hersteller weist in seinen technischen Unterlagen jedoch aufrichtig und korrekt darauf hin, dass der Schutz vor einem mikrobiellen Befall nur für 6 Monate gewährleistet ist, fällt innert dieser Zeit der pH-Wert doch derart stark ab, dass ein mikrobieller Befall wieder möglich wird. Bei diesem Produkt sind alle Informationen des Herstellers richtig. Indessen ist es so, dass jede Organosilikatfarbe und jede herkömmliche Mineralfarbe das gleiche kann, da in diesem stark alkalischen Medium das Konservierungsmittel Kathon ohnehin innert kürzester Zeit zerstört würde. Beim für dieses Produkt angepriesenen Leistungsprofil handelt es sich demnach um etwas seit langem Bekannten.

Sowohl das Schweizer als auch das deutsche Produkt waren zum Zeitpunkt der Analyse frei von sporenbildenden Bakterien, also ausreichend mikrobiell ausgerüstet.

Zusammenfassung
Die Gefährdung durch Emissionen aus wässrigen Anstrichmitteln, die mit Topfkonservierungsmitteln ausgerüstet sind, müssen ernst genommen werden, da heute bereits grosse Teile der Bevölkerung derart stark sensibilisiert sind, dass Allergien nicht ausgeschlossen werden können, wenngleich dies zum heutigen Zeitpunkt nicht mit letzter Konsequenz bestätigt ist. Man muss sich andererseits aber auch den ökonomischen Schaden vor Augen führen, der entstehen kann, wenn wässrige Produkte nicht oder nur ungenügend konserviert sind und bereits nach kurzer Lagerzeit ob des Befalls mit Mikroorganismen entsorgt werden müssen. Leztlich bilden auch die Mikroorganismen ein gewisses gesundheitliches Risiko, da diese oder ihre Sporen unter anderem starke Atemwegserkrankungen hervorrufen können. Führt man sich alle Fakten vor Augen, so ist eine wirkungsvolle Topfkonservierung immer noch die sinnvollere ökonomische und ökologische Alternative.