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Streit um Eigentum am Zürichsee

Neue Zürcher Zeitung vom 26.11.2015, Seite 9, Leserbriefe:

Erneut musste das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Uferweg um den Zürichsee bürgerliche Parlamentarier zurückpfeifen (NZZ 19.11.2015). Offensichtlich kennen diese die Bundesgesetzgebung und die Verfassung schlecht, oder, was noch schlimmer wäre, sie handeln bewusst dagegen.

Was ist geschehen? Nachdem SVP, FDP, CVP, BDP und EDU im Zürcher Kantonsparlament das in der Bundesverfassung verbriefte Recht für Enteignungen im öffentlichen Interesse aus der Ausführungsvorlage der Regierung kappen wollten, hat der Verein «Ja zum Seeuferweg» beim Bundesgericht geklagt und recht bekommen. Das Urteil ist zwar erfreulich, aus juristischer Sicht ergibt es aber wenig Sinn. Denn die Ländereien, um die es geht, sind bereits im Besitz des Staates und müssen deshalb gar nicht erst enteignet werden.

Bei den fraglichen Landparzellen handelt es sich um Konzessionsland, das rund um den Zürichsee mittels Aufschüttungen seit Beginn des 19. Jahrhunderts gewonnen wurde. Doch was ist Konzessionsland? Gemäss Bundesverfassung gehören öffentliche Gewässer der Allgemeinheit und sind nicht veräusserbar. Sie können demnach weder verkauft noch verschenkt werden. Wird nun beispielsweise einem See durch Aufschüttung Land abgerungen, so bleibt die gewonnene Fläche weiterhin im Besitz der Allgemeinheit. Damit eine private Nutzung dennoch möglich wird, kann das gewonnene Neuland mittels einer Konzession zur Nutzung freigegeben werden. Hunderte von Konzessionsverträgen sind Beweis dafür, dass zahlreiche Grundstücke rund um den Zürichsee so zur Nutzung übergeben, aber keinesfalls besitzesrechtlich an die Nutzer übergegangen sind.

Dass die Regierung die Eigentumsrechte des Kantons nicht geltend macht und damit die Interessen der grossen Mehrheit hinter die privaten Ansprüche weniger Konzessionäre stellt, ist schwer nachvollziehbar. Sie wird aber darin von allen bürgerlichen Parteien im Parlament unterstützt, und selbst in der SP sind viele der irrigen Ansicht, das Land am See sei Eigentum der Konzessionäre und müsse für einen Seeuferweg zuerst enteignet werden.

Aber selbst wenn die Konzessionsländereien aus nicht nachvollziehbaren Gründen in den Besitz der Konzessionäre gelangt sein sollten, wären Enteignungen nicht notwendig. Die Verträge enthalten bereits Klauseln, welche die Konzessionäre verpflichten, für den seit langem geplanten Seeuferweg einen entsprechenden Landstreifen zur Verfügung zu halten.

Hannes Strebel, Zürich